Sommer, Sonne, heißes Klima – werden wir dadurch gereizter?

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SonneMit heißen Sommern und der Prognose, dass das Klima sich immer mehr in eine wärmere Richtung entwickelt, ergeben sich neue Forschungsgebiete – auch im Hinblick auf das menschliche Verhalten. Wird unser Temperament ebenfalls hitziger, sobald das Quecksilber nach oben schnellt? Es scheint auf diese und ähnliche Fragen die ersten Antworten zu geben.

Die Situation ist entscheidend

Wer Urlaub hat, sich entspannen kann oder wer am Wochenende einfach mal an den See fahren kann, der wird sich nicht über die Wärme der Sonne und das Scheinen der selbigen ärgern. Im Gegensatz zu jenen erfreulichen Aussichten steht der Arbeitsalltag. Ob im Büro, im Krankenhaus, auf der Baustelle, in der Werkstatt oder im Postauto. Überall, wo sich Hitze breit macht und staut, wird die Konzentration geschwächt. Und das führt unter anderem auch zu einer gesteigerten Reizbarkeit.

Neben der Ausgangssituation sind es aber auch die Menschen in unserer Umwelt sowie die persönliche Einstellung, die unser Aggressionspotential steuern. Ist man der Wärme wohlgesonnen und sind die Kollegen auch nicht allzu gereizt, dann fühlt man sich sicher wohler in seiner Haut. Prof. Andreas Zick, seinerseits tätig im Bielefelder Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, sagte zu dem Thema:

Hitze erhöht das Erregungsniveau. Es kommt aber darauf an, wie wir selbst diese Erregung interpretieren […]Generell entstehen Gefühle sowohl durch körperliche als auch seelische Faktoren.

Die Neigung ist auch sehr wichtig

aggressivDie Hitze ist die eine Sache, und das Umfeld die andere. Ob aber jemand aggressiver wird oder sogar gewalttätig, das hängt von seiner Vorgeschichte und seinen inneren Einstellungen ab. Wer nicht schon bei normalen Temperaturen gewaltbereit ist und auch ansonsten eher empathisch und hilfsbereit vorgeht, der wird aufgrund von 5 Grad mehr auf dem Thermometer nicht gleich um sich schlagen. Wenn es auf Arbeit mit den Kollegen keine Reibereien gibt, dann wird auch da das Klima nicht hochkochen.

Dazu noch einmal Prof. Andreas Zick: „Beispielsweise haben Menschen, die in der Kindheit Gewalt erfuhren, eine größere Neigung zur Gewalt. Und oft sind sie auch später von Menschen umgeben, die eher zur Gewalt bereit sind.

Ist das spätere Umfeld aber in seiner Empathie und alternativen Konfliktlösung (Alternativen zur Gewalt) derart erfolgreich, dass es auf den Einzelnen wirken kann, dann lässt sich die Gewaltbereitschaft dämpfen. Dass ist im Grunde der Kern der Aggressionsbewältigung.

Was sagt die Wissenschaft noch zur Hitzigkeit?

Mit dem Namen „Long Hot Summer Effect“ haben schon in den 1960er-Jahren amerikanische Forscher den Zusammenhang zwischen einem anhaltend heißen Sommer und vermehrten Meldungen über Gewalttaten zu erklären versucht. Dabei kann die Hitze des Sommers laut Prof. Andreas Zick aber auch nur der Faktor sein, der eine Kette von Reaktionen auslöst:

Bei Hitze gehen mehr Menschen nach draußen, sie konsumieren mehr Alkohol, und das längere Tageslicht schafft auch mehr Gelegenheiten für Kriminelle.“ – es braucht also mehr als nur übermäßige Hitze, um die Sicherungen vollkommen durchbrennen zu lassen.

Zurück im letzten Jahrhundert finden wir verschiedene Experimente zur Frage, ob Hitze unser Gewaltpotential steigert. In den 1970er-Jahren etwa gab es einen Versuch, bei dem eine Versuchsgruppe der anderen Elektroschocks verpassen konnte. Bei 30 Grad wurden längere Schocks verabreicht als bei 23 Grad. Auch hier lassen sich sicherlich noch andere Faktoren beachten.

Ab 30 Grad wird es wieder friedlicher

Ein gewisser Anstieg von Aggression und Gewaltbereitschaft lässt sich also mit der Temperatur im Raum oder an der frischen Luft in Verbindung bringen. Allerdings gäbe es hier auch Grenzen, meint unter anderem Prof. Andreas Zick: „Die Studien zeigten aber auch, dass die Gewalt nicht immer weiter zunimmt, wenn die Hitze ansteigt.“ Ab 30 Grad auf der Celsius-Skala sei die Aggressivität wieder rückläufig. Eigentlich logisch, denn um sich aufzuregen, ist es einfach viel zu heiß.

Was aber bei einer Klimaerwärmung? Könnte ein Anstieg der durchschnittlichen Temperatur dazu führen, dass wir alle immer aggressiver werden? Dazu noch einmal Prof. Andreas Zick: „Vielleicht pendeln wir uns auf einem höheren Erregungsniveau ein, und sind dann anfälliger für Aggressionen […]Möglicherweise können wir uns aber auch an die Temperaturen gewöhnen, so wie die Kulturen in heißeren Ländern.

Und darin liegt wahrscheinlich auch die Lösung: in vielen Jobs und im Alltag von Schülern, Rentnern sowie anderen Gesellschaftsgruppen lässt sich eine Siesta sicher viel besser einbauen als ein Kurs gegen Aggressionen. Einfach die Hitze wegschlafen und dann am kühleren Abend weiterarbeiten. Warum nicht? Zudem kann man auch hin und wieder ein Eis naschen – oder sich die Stirn kühlen. Das hilft bei Hitze, wortwörtlich einen kühlen Kopf zu bewahren.



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