Nicht strikt genug formulierte Standards, erwünschte aber nicht erreichte Ergebnisse und die Vorgaben der Industrie: es gibt viele Gründe für Forscher, medizinische Studien zu verfälschen oder lasch durchzuführen. Keiner der Gründe ist moralisch vertretbar, genauso wie die entsprechend ergriffenen Maßnahmen: das Aufstellen falscher Fallzahlen, die Entsorgung vorher nicht protokollierter Versuchstiere und lückenhaft formulierte Aufzeichnungen.
Deutsche und US-amerikanische Analysen zeigen: Studien sind oft mangelhaft
In dem englischsprachigen Fachblatt PLOS Biology wurden zwei Berichte veröffentlicht, die obig beschriebene Zustände aufzeigen und ihnen auf den Grund gehen. Die Grundaussage bei beiden Berichten ist gleich: zahlreiche Grundlagenstudien aus dem Bereich der Medizin werden missbraucht, um von verschiedenen Gruppen gewünschte Ergebnisse als Standards zu etablieren. Das Problem dabei: oft kann der Studienverlauf aufgrund mangelhafter Dokumentierung nicht in allen Einzelheiten nachvollzogen werden.
Neben bösen Absichten, die nicht immer ausschlaggebend für mangelhafte Studien sein müssen, gibt es aber auch noch andere Gründe. Dazu zählen oft undurchsichtige wissenschaftliche Standards oder – wie es teils formuliert wurde – das „Wunschdenken“ der Forscher. Dieses betrifft sowohl die Ergebnisse einer Studie als auch deren Verlauf selbst. Treten dann unerwartete Ereignisse (auch von außen) ein, dann geht die Dedikation dem Projekt gegenüber verloren. Eine schlampige Arbeit an der Studie ist die Folge.
Nachforschungen zeigen auf: Versuchstiere sind verschwunden
Auch dies soll nicht selten bei medizinischen Studien vorkommen: Mäuse und andere für die Untersuchungen genutzte Tiere verschwinden über den Zeitraum der Forschung einfach. Ein Grund für die Extrahierung eines oder mehrerer Tiere aus der Forschung kann ein besonders leichter oder besonders schwerer Verlauf einer Krankheit oder Behandlung sein. Damit sorgen die Forscher aber für eine Studie, in der am Ende nur durchschnittlich verlaufende Krankheiten aufgezeigt werden – das Ergebnis ist dann strenggenommen verfälscht und nicht zu 100 Prozent auf mögliche Fälle anwendbar.
Der Missbrauch von Tieren zu Forschungszwecken ist ein Streitthema für sich. Von Forschern und Medizinern, die dieses Vorgehen befürworten, kommt oft Kritik im Hinblick auf die Größe der untersuchten Tiergruppen. So gäbe es bei vielen Studien „nur“ acht Tiere, die beobachtet würden. Werden aus einer solchen Gruppe dann eine oder mehrere herausgenommen, dann sei das Endergebnis der gesamten Studie auch durch Auswürfeln auffindbar, meint einer der Analysten.
Eine Alternative zu Tierversuchen und damit auch zur recht einfachen Ausgliederung von Probanden ist die klinische Forschung, bei der statt Tiere Menschen zum Einsatz kommen. Natürlich werden diese nicht extra krank gemacht, wie es bei den Mäusen der Fall ist, sondern aus einem Pool bereits erkrankter Menschen ausgewählt. Bei solchen klinischen Forschungen gelten sehr hohe und streng einzuhaltende Standards; die Ausnahme eines Probanden ist klar geregelt und unterliegt einem Prüfverfahren. Die Ergebnisse sind am Ende also eindeutiger und weniger verfälscht.
Alle Felder betroffen: Studien sind in der ganzen medizinischen Fachwelt mangelhaft
Es gibt viele Standards bei medizinischen Forschungen, die laut der angesprochenen Analysen einfach nicht eingehalten werden. So sollten die einzelnen Schritte und Methoden der Forschung in einem extra dafür vorgesehenen Methodenteil der Dokumentation dargelegt werden. Das geschieht oft nur lückenhaft oder zu wenig detailliert. Auch die Kriterien zur Ausnahme von Versuchstieren werden meist nicht klar definiert und manchmal sogar erst nachträglich verfasst, wenn es zum entsprechenden Fall kam.
Was auch ein nur selten eingehaltener Standard ist, das sind verblindete Studien. Das heißt, dass die Forscher eigentlich nicht wissen sollten, welche Tiere zur behandelten und welche Tiere zur Kontrollgruppe zählen. Auch die Festlegung der Ziele einer Untersuchung, der erhofften Ergebnisse, etc. werde oft nicht genau genug exerziert. Die beschriebenen Fehler träten, laut den Analysen, in allen Feldern der Medizin auf. Nur selten lässt sich eine Studie aufgrund der entsprechenden Aufzeichnungen komplett reproduzieren.
Zu den fehlenden Daten in den einzelnen Studienaufzeichnungen gehörten zudem auch noch die zugrundeliegenden Rohdaten, vollständige Versuchsprotokolle und zu allem Überfluss die Quellen der Finanzierung. Auch ein möglicher moralischer Konflikt aus der Konstellation Förderer – Forschungsthema – Forschungsziel – Forscher lässt sich nie herauslesen, obwohl die Formulierung eines Konflikts durchaus in eine Studie einfließen kann und soll.
Die Forderungen sind klar: Verbesserungen sind überall nötig
Neben der Glaubwürdigkeit, die durch das schlampige Vorgehen bei den medizinischen Studien verloren geht, ist es auch noch die Gefährdung der zukünftigen Patienten, welche ein großes Thema bei der Sache darstellt. Die medizinische Grundlagenforschung gerät durch ein solches Vorgehen in starken Verruf. Zudem bedeutet es eine großformatige Verschwendung von Ressourcen, nicht zuletzt von Steuergeldern, die als Subventionen fließen.
Die Forderung der Analysten ist daher: die Formulierung klarerer und strikterer Strukturen für die medizinische Grundlagenforschung. Dazu sollen die Kriterien für die Ernennung zum Professor erweitert werden. Denn als Professor benannt werden Forscher, wenn sie etwas Neues und Bahnbrechendes entdecken. Geht ein Forscher mit dieser Maßgabe an die Arbeit, ist die Manipulation der Studie schon fast vorprogrammiert.
Dazu kommt die Veröffentlichung der Studien. Dies geschieht so gut wie immer in Fachblättern, die ebenfalls in Zukunft besser prüfen sollen, welche Untersuchungen sie veröffentlichen und welche sie abweisen. Sind einzelne Dokumentationen unschlüssig, unvollständig oder widersprüchlich, dann sollen sie nicht publiziert werden dürfen. Und weiterhin ist es natürlich wichtig, über die Forschung zu forschen, damit Missstände aufgezeigt und zu Verbesserungen führen können.
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