Der medizinische Fachjargon von Ärzten ist zwar als eindeutiger Code zu verstehen, von den jeweiligen Patienten und anderen Laien aber kaum fassbar. Meist lesen sich Befunde und andere Übersichten der Leiden einer sich in Behandlung befindlichen Person wie ein fremdsprachiger Text. Beim Übersetzen der einzelnen Begriffe und Befunde gibt es nun seit fünf Jahren schon Hilfe aus der Landeshauptstadt Sachsens.
Für den einen selbstverständlich, für den anderen unverständlich
Viele Blutdruckpatienten wissen, was eine arterielle Hypertonie ist und was man dagegen tun kann. Wer den Befund über erhöhten Blutdruck allerdings das erste Mal im Fachjargon hört oder liest, kommt nicht selten ins Rätseln. Und das war noch ein durchaus einfaches Beispiel. Wesentlich komplizierter sind Befunde, die weniger populäre Leiden betreffen und mehrere Seiten lang sind. Dazu sagte die Studentin Elisabeth Vinis aus Dresden: „Bei medizinischen Befunden passiert es schnell mal, dass Patienten vom ganzen Text nur die Füllwörter verstehen.“
Was hab‘ ich? Diese Frage wird nun beantwortet
„Medizinstudenten übersetzen Befunde in eine für Patienten leicht verständliche Sprache. Kostenlos.“, das verspricht die Internetseite washabich.de, auf der Patienten unkompliziert und anonymisiert ihre Befunde einreichen können. Die Übersetzung gibt es dann meist innerhalb einer Woche. Die Finanzierung der teils umfangreichen Übersetzungsleistungen passiert dabei vermittels Partneraktionen mit Unterstützern, Spenden sowie durch Crowdfunding.
Das Projekt ist auch als Nebenerwerb zu verstehen
Durch die Übersetzung von Befunden aus dem Fachjargon in ein verständliches, bürgerliches Deutsch wird nicht nur den Patienten geholfen, sondern auch den Studenten, die in Dresden Medizin studieren. Wie auf der Crowdfunding-Seite zu lesen ist, profitieren sie (neben Aufbau und Betrieb der Internetseite) direkt von der Projektfinanzierung:
„Das Geld fließt eins zu eins in die Medizinerausbildung. Größter Kostenpunkt ist die individuelle und persönliche Betreuung der Medizinstudierenden im Rahmen der Kommunikationsausbildung. Aber auch die Akquise der Mediziner und der Betrieb der IT-Plattform kosten Geld.“
Weiterhin wird erklärt:
„Doch jede Ausbildung eines Medizinstudenten kostet Geld: 450 Euro muss das gemeinnützige Projekt für die Kommunikationsausbildung eines Mediziners aufbringen. Und es werden dringend viele Übersetzer benötigt, denn die Bedeutung einer leicht verständlichen Arzt-Patienten-Kommunikation wächst zunehmend: Um weiterhin möglichst viele Mediziner ausbilden zu können, sucht „Was hab‘ ich?“ Unterstützer, die für die Kommunikations-Ausbildung der jungen Studenten eine Patenschaft übernehmen möchten. Dies kann auch nur eine Teilpatenschaft sein. Jede Unterstützung zählt und ist wichtig!“
Schon seit fünf Jahren am Start
Ausschlaggebend für die Plattform im Internet, vermittels derer Patienten an eine Übersetzung ihrer Befunde kommen, war die Idee von Informatik- und Medizinstudenten vor fünf Jahren. Diese sind nun in Lohn und Brot, jene aus dem Bereich Medizin sind Ärzte geworden. Die Internetseite aber wird weiter betrieben und es kommen immer wieder neue Studenten dazu, welche die teils 40.000 Aufrufe im Monat handeln. Seit 2011 gab es insgesamt rund 860.000 Klicks auf die Seite.
Studenten können sich die Arbeit einteilen
Neben dem Studium Geld zu verdienen, um Uni, Miete, Transportmittel, etc. finanzieren zu können, das ist nichts Neues. Für die Studenten, die Befunde für Patienten übersetzen, kommt diese freiwillige Arbeit allerdings einer gewissen Selbstständigkeit gleich. Wo sie bei Aushilfs-, Kassierer- und Kellner-Jobs an feste Zeiten gebunden sind, können sie sich bei dieser Aufgabe im Zweifelsfall auch mal nachts an den Rechner setzen und übersetzen. Dabei werden die Texte aber nicht kürzer – aus einem dreiseitigen Befund wird da schnell eine zehnseitige Erklärung.
Viele Studenten wählen ihre Worte dabei sehr sorgfältig. Einerseits sind es natürlich medizinische Fachausdrücke, die es zu bearbeiten gilt; andererseits handelt es sich bei jedem Einreichenden um ein Einzelschicksal. Die Medizinstudentin und Übersetzerin bei washabich.de Elisabeth Vinis aus Dresden sagte dazu: „Mein letzter Befund war von einer jungen Frau mit Brustkrebsdiagnose. Da achte ich natürlich besonders darauf, wie ich etwas ausdrücke.“ – das Feedback, das Vinis über die Plattform von der jungen Frau bekam, war für sie unerwartet und daher umso bewegender. Die Frau formulierte eine regelrechte Kampfansage gegen den Krebs.
Übersetzungen mit Grenzen
Der Dienst der Plattform und der für sie arbeitenden Studenten ist klar definiert: Befunde in eine verständliche Sprache übertragen. Einige Patienten verlangen darüber hinaus aber noch eine Beratung. Im Feedback-Bereich von washabich.de wird auch oft nach Ratschlägen gefragt und teilweise wird die Verantwortung über Entscheidungen zur Behandlung abgegeben – oder dies zumindest versucht. Jedoch werden die Befunde nicht interpretiert und die Patienten nicht zu einzelnen Schritten beraten oder angewiesen.
Insgesamt wurden bereits mehr als 25.500 Befunde übertragen; in der Woche kommen rund 150 Dokumente zusammen. Das Projekt soll aufgrund der großen Nachfrage nun teilautomatisiert werden: einzelne Textbausteine und Begriffe sollen dabei maschinell über eine Datenbank übersetzt werden können. Für die Schaffung dieser Übersetzungen werden extra zwei Ärzte fest angestellt. Das Ziel bleibt – egal ob bei manueller oder automatisierter Übersetzung – gleich: die Kommunikation zwischen Arzt und Patient soll verbessert werden.
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